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Ein beeindruckender Besuch in Hadamar...

Warme, abgestandene, stickige Luft schlug mir entgegen, als die Mitarbeiterin der Hadamarer Gedenkstätte, nach meinem Besuch in den Austellungsräumen, mir die Tür in den Keller öffnete.
Ob einige von den 10.072 Menschen, vor 62 Jahren, ein ebensolches Erlebniss hatten?

Vorstellbar wäre es, denn:
In diesem Keller standen damals, von Januar 1941 bis in den August 1941 zwei mit Kohle betriebene Krematoriumsöfen, welche fast immer in Betrieb waren.

Dieses also war der letzte Weg für die Menschen, welche damals als „lebensunwert“ erachtet wurden. Für die Gesellschaft „unnütz“ - besonders in Kriegszeiten - nur ein Kostenfaktor.
Schon 1920 beschrieben der Jurist Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche diesen Kostenfaktor, u.a., so:
„Das Pflegepersonal von vielen tausend Köpfen wird für diese gäntlich unfruchtbare Aufgabe festgelegt und fördernder Arbeit entzogen. Es ist eine peinliche Vorstellung daß ganze Generationen von Pflegern neben diesen Menschenhülsen dahinaltern und von denen nicht wenige 70 Jahre und älter werden.“ (Binding/Hoche: 'Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens'.)

Nicht nur in diesem Keller in Hadamar wurden Menschen ermordet, von denen die damalige Obrigkeit meinte, keinen „Volksnutzen“ zu haben.

Auf Burg Grafeneck, südlich von Stuttgart, waren es 9839 Menschen.
In Brandenburg an der Havel: 9772.
Bernburg an der Saal: 9375.
Hartheim bei Linz (Östereich): 18269.
In Sonnenstein bei Pirna: 13720.
Insgesamt über 71.000 Menschen wurden von Januar 1940 bis Ende August 1941 ermordet.
Die Bevölkerung einer Kleinstadt. Menschen, die sich nicht wehren konnten.
Viele wußten nicht, wie ihnen geschah.

In Hadmar wurden sie diese Kellertreppe hinuntergetrieben. In einem kleinen Vorraum, links neben dem Ende der Treppe, mußten sie die alten Militärmäntel wieder abgeben. Sie hatten diese, im Erdgeschoß, anstelle ihrer eigenen Kleidung, welche sie vor der ärztlichen “Untersuchung“ hatten ablegen müssen, bekommen.
50 bis 60 Personen stark war jeweils eine  Gruppe, welche durch eine Stahltüre hindurch in den knapp 14 m² großen „Duschraum“ weitergeschickt wurde.
Duschköpfe waren an den Wasserrohren angebracht,welche unter der Decke montiert waren.
Bis in einer Höhe von 180 cm sind die Wände mit gelben Badezimmerfliesen bedeckt.
Der Boden besteht aus schwarz-weissen Kacheln. In der Mitte ein Abfluß. Gegenüber eine zweite Stahltür, welche verschlossen ist.
Kaum einer der dort ermordeten Menschen realisierte, damals, das hinter der anderen Stahltür ihre Mörder standen.
Später las ich, das, in den Monaten Juli und August 1941, mindestens sieben Lüdenscheider Mitbürger, davon einer Namenlos, im Alter zwischen 22 und 48 Jahren dort ihre letzten Minuten erlebt haben.

Heute sind, anstelle der Stahltüren, Holztüren eingebaut.
Die Elektroinstallation an der Decke, so steht auf einer Hinweistafel, soll noch aus der Zeit stammen, wo hier gemordet wurde.
Ich ging weiter in den nächsten Raum. Das Gestell worin die Kohlenmnoxydflaschen damals standen, existiert noch. Die Mauerdruchbrüche, für das Sichtfenster in die Gaskammer und das Gasrohr, ist laienhaft zugemauert worden.
Wieder eine Hinweistafel: Ca. 25-30 Gasflaschen fanden in dem Gestell Platz. Für eine Vergasung wurden zwischen vier und fünf Flaschen benötigt.
Es sollen kleine Gasrohre gewesen sein, las ich später. Dadurch strömte das Gas nur sehr langsam in den Raum. Die Menschen dort in der Kammer starben langsam. Übelkeit, Sehstörungen, Herzstörungen, Schwindel und, da sie langsam bemerkten was wirklich geschah, auch Erregung machte sich dort breit.
Etwa eine Stunde lang wurde der Raum begast. Anschließend wurde das Gas, über ein Gebläse, nach draussen geblasen, so das die „Brenner“ die ineinander verkrampften Leichen gefahrlos aus dem Raum herausholen und auf einen Schienenwagen, eine Lore, legen konnten.

Recht deutlich kann man heute noch die Befestigungen der Schienen im Kellerboden erkennen.
Sie führen in die beiden Krematoriumsräume.
Einige der Leichen wurden aber in den Sezierraum gebracht. Medizinische Universitäten im ganzen Reich benötigten Forschungsmaterial, in erster Linie die Gehirne der Ermordeten.
Einer der beiden Seziertische befindet sich noch heute in diesem Raum.
An einem Ende ist die umrandete steinerne Tischplatte mit einem kleinen Abfluß versehen, der an das Kanalnetz angeschlossen ist.

Ich ging über den Kellerflur zurück in einen der beiden Krematoriumsräume die miteinander durch Mauerdruchbrüche verbunden sind.
Am Ende des einen Raumes ist ein wandgrosses Foto eines Ofens, wie er, später, auch in den Vernichtungslagern verwendet wurde.
Davor steht ein Kranz.
In dem anderen  Krematoriumsraum sind Fotos zu sehen. Fotos von Menschen, die hier umgekommen sind.

Es war eine beklemmende, fast gespenstische, Athmosphäre in dem stickigen Keller.

Langsam ging ich die Treppe wieder hinauf. Dabei denke ich wieder zurück:
Die meisten Menschen, die damals diese Treppe hinabgestiegen sind, sind nicht wieder hinaufgegangen.

Ab August 1941 hörten die Vergasungen auf, aber das Morden, mittels Morphium-Hydrochloral, Luminal oder durch Nahrungsentzug bzw. einseitiger Ernährung ging weiter. 44 weitere Lüdenscheider starben bis Kriegsende, in Hadamar und in anderen Todes-Anstalten.

Foto: Ausschnitt aus einer, aus grauem Stein gehauenen Stele. Inschrift: "Mensch achte den Menschen." Auf dem Sims der Aufschrift liegen kleine Steine.

 

Hinter dem Haus fand ich eine Treppe, welche zum Friedhof führt. Eine lange Treppe.
Auf dem Friedhof, so erfuhr ich, sind viele der Ermordeten begraben worden.
Ein schmaler Weg aus Steinplatten führt über den Friedhof.
Vorbei an Grabsteinen, welche die großen Weltreligionen symbolisieren hin zu einer Gedenkstele.
„Mensch achte den Menschen“, ist auf der Stele zu lesen.

Nie wieder darf derartiges geschehen, was in den Kriegsjahren des zweiten Weltkrieges hier passiert ist.
Die Gefahr, Menschen mit Behinderungen als Menschen „zweiter Klasse“ und somit als „lebensunwert“ anzusehen, ist, gerade wieder heute, in wirtschaftlich unsicherer Zeit, sehr sehr groß.

Wie kann man eine Wiederholung der damaligen Geschehnisse verhindern?

 

Foto: Zwei Gedenksteine an einem schmalen Weg: Ein Gedenkstein als russisch-orthodoxes Doppelkreuz und eine Gedenktafel mit einem Davidstern. Auf beiden Denkmälern liegen kleine Steine.

 

 

 

 

 

 

 

Symbolische Grabsteine am Weg.

 

 


 

Foto: Eine weite Rasenfläche mit einigen Bäumen. Ganz in der Ferne ist die Stele noch zu erkennen.

 



 

 













Ein Blick über eines der Massengräber hin zur Gedenkstele.

 

 









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 Das wirklich letzte, aber dennoch wichtig:



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